In der Smart Farm tanken Elektro-Traktoren die Sonnenkraft vom Dach

Im Technologieprogramm IKT für Elektromobilität des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) arbeiten die Projekte „3connect“ und das Projekt „GridCON“ unter anderem an effizienten und nachhaltigen Energie-Lösungen für die Landwirtschaft.

In der Smart Farm tanken Elektro-Traktoren die Sonnenkraft vom Dach

Hybrid-Traktor von John Deere, der beim Allgäuer Landwirt Josef Eldracher Sonnenstrom vom Dach tankt (Bildquelle: Benjamin Greiff/AÜW)

Wenn die 60 Milchkühe des Allgäuer Landwirts Josef Eldracher morgens am Melkroboter stehen, dann bemerken sie keinen Unterschied. Der Melkroboter, die Milchkühlungsanlage und das Rührwerk beziehen den Strom aus der Photovoltaik-Anlage (PV) vom Dach, auch wenn die Sonne noch gar nicht richtig aufgegangen ist. Neu ist allerdings ein Energiemanagement-System (EMS) von ABB, das die Stromflüsse zwischen der PV-Anlage, den elektrischen Geräten und der Batterie des hybriden Hoftraktors effizient lenkt. So kann der Strom für den Melkroboter PV-Strom vom Vortag etwa aus der Traktorbatterie stammen. Aber auch ein neuer stationäre Batteriespeicher kann als Stromquelle dienen, wenn der Hybrid-Traktor von John Deere seine Akkus für die Feldarbeit benötigt und geladen mitnehmen soll. Ein solches EMS bietet Landwirten wie Eldracher eine Alternative zur EEG-Förderung, die ab 2021 wegfällt.

Bei landwirtschaftlichen Energiemanagement-Systemen geht es nicht nur ums Energiesparen, erläutert Projektleiter Florian Fischer vom Allgäuer Überlandwerk (AÜW). „Vielmehr geht es um die intelligente Nutzung der erneuerbaren Energien“. Und im Allgäu ist dank tausender Photovoltaik-Anlagen auf landwirtschaftlichen Gebäuden jede Menge nutzbare Sonnenenergie vorhanden. Nach dem Auslaufen der EEG-Förderung haben Landwirte mit ihren PV-Anlagen zwei Möglichkeiten: den Strom zu Marktpreisen ins Netz zu speisen oder ihn selbst zu nutzen. Das AÜW testet beide Möglichkeiten.

Viele Allgäuer PV-Anlagen landwirtschaftlicher Betriebe sind allerdings so groß, dass Strom nicht unmittelbar genutzt werden kann, sondern stationär oder mobil gespeichert werden muss. Deshalb verteilt das intelligente Energiemanagement-System den PV-Strom etwa in Batteriespeicher, vollelektrische oder Hybrid-Traktoren, andere landwirtschaftliche Maschinen, oder es verwandelt Strom in Wärme oder Kälte, beispielsweise zur Milchkühlung.

Das Energiemanagement-System stellt somit sicher, dass beispielsweise das elektrische Rührwerk immer zum wirtschaftlich günstigsten Zeitpunkt startet. Auch lädt das EMS den Akku des Hybridtraktors erst dann, wenn es das Nutzerprofil und die Marktumgebung erlauben. An Ruhetagen dagegen kann dieser Stromspeicher perspektivisch auch wieder Energie ans Netz oder in den landwirtschaftlichen Betrieb abgeben. Das EMS arbeitet dabei zum größten Teil – und ohne großen Aufwand für den Landwirt – im Hintergrund.

Algorithmen steuern den Energie-Fluss

Noch bevor der Strom auf dem Eldracher-Hof in die richtigen Kanäle fließt, hat das EMS mithilfe von Algorithmen das gesamte energierelevante Umfeld geprüft, prognostiziert etwa den Strombedarf, das Wetter und Börsenstrompreise. Das „virtuelle Kraftwerk Allgäu“ zieht auch die mögliche Vermarktung von Flexibilitäten ins Kalkül, optimiert die Fahrpläne der Erzeugungsanlagen, erstellt Energieprognosen, beschafft bei Bedarf Energie an den Strombörsen, reduziert den Ausgleichsenergiebedarf oder die Netznutzungsgebühren. Gleichzeitig prüft das virtuelle Kraftwerk die relevanten Märkte, etwa den Regelleistungsmarkt, den Terminmarkt, Stromnetze und deren Frequenzen. Erst nach dieser Prüfung entscheiden Algorithmen, wo und wann welcher Strom aus welcher Quelle gespeichert oder zum Antrieb eingesetzt wird. „Je mehr Teilnehmer an dieses System mit untereinander kommunizierenden Geräten angeschlossen sind, desto effizienter ist die Energieerzeugung und -verteilung“, so der AÜW-Experte Fischer.

Zurzeit werten die AÜW-Energieexperten die Ergebnisse des dreijährigen Pilotprojekts aus. Und im Mai freut sich Josef Eldracher auf einen neuen Einsatz des Hybrid-Traktors, der einen weiteren Feldversuch absolvieren wird. Auf der hügeligen Landwirtschaftsfläche von Eldracher hat sich bisher gezeigt, dass ein Hybrid-Traktor dem rein dieselbetriebenen Traktor überlegen ist: der Akku gibt dem Traktor die benötigte zusätzliche Energie.

Wie elektrisch betriebene Landmaschinen großflächig in die Landwirtschaft eingebunden werden können, zeigt das Beispiel „GridCON“ aus dem IKT EM III-Programm.

GridCON: vollelektrische, kabelgebundene Traktoren

Die treibende Vision des IKT EM III-Projektes GridCON ist ein in der Bilanz energieneutral arbeitender, intelligenter landwirtschaftlicher Betrieb. Eine solche intelligente Farm nutzt erneuerbare Energien zur Eigenversorgung und innovative Informations- und Kommunikationstechnologien, um den Betrieb auch in Verbindung mit dem Netz und mit weiteren regionalen Energieversorgern zu optimieren. Der Landwirt ist so gleichzeitig Hersteller und Nutzer (Prosumer) in ländlichen Smart Grids und wird zum aktiven Unterstützer elektrischer Versorgungsnetze, um Klimagas-, Schadstoff- und Lärmemissionen zu reduzieren und so zu einer nachhaltigen Landwirtschaft und Energieversorgung beizutragen.

Das Projekt-Konsortium GridCON nahm die Erforschung autonomer, elektrisch angetriebener Fahrzeugkonzepte in Form kabelgebundener Landmaschinen in den Fokus. Beteiligt waren das European Technology Innovation Center von John Deere, das vollelektrische Traktoren, kabelgebundene Landwirtschaftsmaschinen und Hybridversionen erforscht und entwickelt, der Lehrstuhl für Regelungssysteme der Technischen Universität Kaiserslautern und die B.A.U.M. Consult GmbH.

Die kabelgebundenen Landmaschinen, so das Forschungsziel, sollten über ein elektrisches Hochleistungskabel mit lokalen Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien und dem elektrischen Verteilernetz verbunden werden. Im Folgeprojekt GridCON2 sollen ergänzend ein zentrales Energieverteilungsfahrzeug und ein halbstationäres Energieversorgungsmodul eingebunden werden. Integriert sind außerdem das Energie- und Datenmanagement und die Kabelführung beim kabelgebundenen Traktor.

Die Gründe für elektromobile Anwendungen in der Landwirtschaft sind vielfältig: Elektrische Antriebe sind kompakt, effizient und präzise regelbar, sie haben eine hohe Leistungsdichte und sind arbeits- und bedienungsfreundlich. Sie erlauben zudem die Einsparung von fossilen Treibstoffen, von Pflanzenschutz- und Düngemittel. Hinzu kommt die sehr viel höhere Leistung (>1MW), eine 3 bis 4mal höhere Energieeffizienz, etwa 50 Prozent geringere Antriebskosten, Einsparungen bei Betriebs- und Unterhaltskosten, die Unabhängigkeit von steigenden Mineralölpreisen und geringere Lärm- und Luftschadstoffemissionen.

Zwar erhöhen elektromobile Landmaschinen den Verbrauch an elektrischer Energie – kombinieren Landwirte auf ihren Höfen jedoch halbstationäre Energiespeicher, etwa Batterien, Biogas- oder Pflanzenölspeicher mit intelligenten Steuerungseinrichtungen, können sie damit den Bedarf an Verteilnetzen und deren Ausbau auf dem Land reduzieren und aus erneuerbaren Quellen mehr elektrische Energie erzeugen. Damit entsteht eine ländliche Infrastruktur, die Landwirten neue Einkommenspotenziale erschließen und den ländlichen Raum wirtschaftlich aufwerten kann. Für innovative Landwirte ergeben sich konkrete Möglichkeiten, am Energiehandel teilzunehmen, Systemdienstleistungen für das elektrische Versorgungsnetz anzubieten oder die selbsterzeugte Energie noch effizienter selbst zu nutzen. Den Wegfall der EEG-Einspeisevergütung werden sie dann kaum bemerken.

Bildquelle: Benjamin Greiff/AÜW

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